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Aus der Praxis: Produktentwicklung für Regionen und Einzel-Anbieter

Brandenburg, Dornum, falkenberg, Kiebitz, Produktentwicklung

Andrea Schneider14. Apr 2021

Oftmals werden wir für Workshops zu Storytelling für Websites, Blogs und Social Media angefragt. Und immer stellt sich dann sehr schnell die Frage: Habt ihr denn eure Produkte so entwickelt, dass sie zu euren Werten und zu den Bedürfnissen eurer Gäste oder Kund*innen passen? Oder andersrum gesagt: Gute Geschichten sind einfach, wenn das Produkterlebnis eben stimmt.

Unser Ringmodell macht die Zusammenhänge so schön sichtbar, das Produkterlebnis steht im Mittelpunkt, wo es auch hingehört. Im Produkterlebnis vereinen sich idealerweise die Anforderungen, welche aus der eigenen Identität und der Positionierung kommen und anderseits die Bedürfnisse der Zielgruppe. Spiegelt das Produkterlebnis die perfekte Einheit von Identität und Zielgruppenbedürfnis wider, ist meist auch das Dreieck aus Einheimischen, Gästen und Wirtschaftlichkeit in Balance. Und es kann getrost eine vielversprechende, nachhaltige Zukunft gestaltet werden.

Weil dieser idealtypische Fall eher selten zufällig entsteht, der rote Faden oftmals fehlt, beschäftigt sich Tourismuszukunft – Realizing Progress, regelmäßig mit dem Thema Produktentwicklung. Insbesondere das durch die Pandemie geprägte 2020 hat so manche Ungereimtheit schonungslos an den Tag gebracht. Bei Regionen, als auch bei Einzelanbietern. Weil Beispiele so schön anschaulich wirken, haben Dir Kristine und Andrea nachfolgend ein paar Beispiele und Einblicke zusammengestellt, welche das Thema greifbarer machen und als Inspiration für die eigene Produkterlebnis-Entwicklung stehen sollen.

 

Ein neuer Blick auf das Erholungsgebiet Kiebitz in Falkenberg/Elster, Brandenburg

Der Kiebitzer See
  • Ausgangssituation: Als man uns rief, gab es für das Erholungsgebiet Kiebitz viele Ideen und auch tatkräftige Akteure, die bereit waren, etwas zu wagen. Was fehlte, war eine gemeinsame Richtung, ein gemeinsames Ziel.
  • Am Prozess Beteiligte: Sämtliche Betroffene des Erholungsgebiets: der Bürgermeister der Stadt Falkenberg/Elster, Vertreter*innen der Stadtverwaltung, der Campingplatzbetreiber, ein Vertreter der Gastronomie, die Verantwortliche für die Unterhaltung von Kindern, ein Teenager als Vertreter der örtlichen Jugend und sogar ein Rettungsschwimmer. Und ja klar, die Möglichmacher*innen der Entwicklungssinitiative, zwei Vertreterinnen der Tourismus-Marketing Brandenberg und eine Vertreterin der regionalen Tourismusorganisation waren mit dabei.
  • Vorgehen:
    1. Gemeinsam skizzierten wir eine riesige Karte vom Erholungsgebiet Kiebitz an die Wand des großzügigen Raums und umrundeten den gesamten See gedanklich miteinander. Was gibt es bereits rund um den See – an natürlichen Voraussetzungen, aber auch an Infrastruktur? Was befindet sich wo? Was steht in Planung? Wo hakt es? Ergebnis: Ein ganzheitliches Blick auf den Status Quo inklusive der diversen vorherrschenden Problemstellungen. Sowie hiervon abgeleitet bereits erste generelle To do’s und Handlungsfelder, die sich einzig aus der ganzheitlichen Sichtwiese ergaben. Dieser Prozessschritt war dicht und intensiv, so dass sich Kristine und Andrea die Aufgaben der Moderation und des Aufnotierens aufteilten.
    2. In der Gruppe diskutierten wir, für welche Zielgruppe, welchen Wunschgast, das Erholungsgebiet Kiebitz am besten funktioniert resp. zukünftig funktionieren soll. Denn wir wollen ja in die Zukunft denken und diese auch nachhaltig gestalten. Dabei wurden ebenso die Identität des Erholungsgebiets wie auch die vorab diskutierten generellen Rahmenbedingungen berücksichtigt. Ergebnis: Wir haben eine idealtypische Familie als Wunschgast: Astrid und Martin mit ihren beiden Kindern.
    3. Was macht die Familie von Astrid und Martin denn glücklich, war unsere nächste Frage? Wir tauchten ein und fassten ihre zentralen Bedürfnisse zusammen:
      • Sie sind ausgesprochen naturverbunden. Weniger ist also mehr.
      • Authentisches und Regionalität ist ihnen wichtig. Es muss also nicht perfekt sein.
      • Der achtsame Umgang mit sich, der Natur und der Gesellschaft ist selbstverständlich.
      • Sie übernehmen gerne Verantwortung.
      • Und sie sind wissbegierig. Lernen gerne über Fauna, Flora…
    4. Mit dieser richtungsweisenden Charakteristika im Gepäck führten wir eine gemeinsame Begehung vor Ort mit den Teilnehmenden durch. Dabei sind wir die ganze Kundenreise durchgegangen, begonnen von der Anfahrt und dem Ankommen auf dem Gelände, dem Check-In…  Dabei begleiteten uns die Fragen: Wie können wir an welcher Stelle den Bedürfnissen von Astrid und Martin besser entsprechen? Was müssten wir anpassen oder entwickeln? Was muss weg? Dabei einmal mehr sehr deutlich: Die Liebe geht durch den Magen. Verpflegungsmöglichkeiten sind zentral – und ist doch oftmals wie auch an unserem Beispiel noch mit viel Potential versehen. Daneben sind es oftmals Kleinigkeiten, die anzupassen sind. Sei es eine passendere Farbgebung (denn unser Gehrin reagiert unbewusst sehr schnell auf die falsche Farbe, Stichwort limbisches System) oder eine aufschlussreichere und stimmigere Ausschilderung. Wichtig sind immer Quick Wins, Veränderungen, die schnell umsetzbar sind, damit sich erste Erfolgserlebnisse rasch einstellen können. Gleichermaßen wurden hier jedoch auch größere „Baustellen“ deutlich, insbesondere infrastruktureller Art waren. Und auch wenn die Hürden hier größer sind, müssen auch diese angegangen werden, um zukünftig ein  gesamtheitlich positives Produkterlebnis zu bieten.
    5. Viele Punkte, viele Ideen. Gemeinsam sammelten wir noch einmal die verschiedenen To do’s und setzen Prioritäten. Und gemeinsam wurde geschaut, wer sich für welchen Part zukünftig „den Hut aufsetzt“ und die Verantwortung übernimmt.
  • Fazit: Aus individuell umtriebigen Akteuren konnte ein Team geformt werden, welches mit gebündelten Kräften nun in eine gemeinsame Richtung geht. Dabei hat die Visualisierung durch die Experience Design Methodik maßgeblich unterstützt.

 

Dornum/Dornumersiel: Produktprinzipien als Schlüssel

Dornumersiel Strand
  • Ausgangssituation: Die Strategie für das Nordseebad Dornumersiel inklusive der beiden Orte Dornum und Neßmersiel sollte konkretisiert werden. Inklusive konkreter Ableitungen für die touristischen Partner vor Ort, in welcher Form diese die Strategie für sich umsetzen können.
  • Am Prozess Beteiligte: Die gesamte Tourismus GmbH Gemeinde Dornum. Außerdem waren Gastgeber*innen zur Beteiligung eingeladen. Vertreter*innen der Kommune und Vertreterinnen der Partneragentur des Auftraggebers haben ebenfalls interaktiv mitgestaltet.
  • Vorgehen:
    1. Gemeinsam wurden anhand der Natürlichen Voraussetzungen und der Werte der Region das grundsätzliche Fundament für die Strategie gelegt: Was auch immer zukünftig angeboten wird, es sollen die Begriffe „Natur & Ostfriesisch, Auszeit & Entdecken“ erlebbar sein.
    2. Passend hierzu erfolgte die Auswahl einer geeigneten Zielgruppe, des Wunschgastes für die Region: Das Milieu der Sozialökologischen des Sinus-Instituts bzw. als Persona sehr konkret: Nicole und Michael. Hier noch wichtig zu erwähnen, dass die Beteiligten vorher mit einer zusätzlichen Zielgruppe liebäugelten. Während der Erarbeitung der Persona für diese Zielgruppe wurde aber allen klar: Ist viel zu anstrengend, der hält sich hier ja nicht an die Vorschriften, nein, passt nicht.
    3. Basierend auf der Identität und der Zielgruppe leiteten wir nun gemeinsam Produktprinzipien ab, welche als Orientierungshilfe dienen für die Produktentwicklung und welche – ihr wisst was kommt – sowohl die eigene Identität als auch die Bedürfnisse von Nicole und Michael widerspiegeln: Das Umweltbewusst-Prinzip, das Naturnah-Prinzip, das Verwöhnen-von-Körper-und-Geist-Prinzip, das Persönliche-Moin-Prinzip, das Regionale-Produkte-Prinzip sowie das Wissenswertes-und-Geschichten-Prinzip.
    4. Alle Prinzipien wurden in zwei Sätzen beschrieben, die richtungsweisend sind für die täglichen Arbeit. Die Sätze bestehen jeweils aus einerseits den Anforderungen der Zielgruppe Nicole & Michael sowie andererseits der hieraus resultierenden Anforderung an die Produkte und Angebote. Beispiel: Wissenswertes-und-Geschichten-Prinzip: „Unsere Wunschgäste Nicole und Michael sind an tiefergehendem Wissen über die Region – vor allem in Bezug auf die Natur und das Ostfriesische – interessiert. Über passende Geschichten sind diese Informationen in Produkte und Angebote zu integrieren.“
    5. Um das Verständnis sowie die konkrete Übersetzung der Prinzipien für die Akteure zu erleichtern, wurden verschiedene Punkte zusammengestellt, wie das entsprechende Prinzip innerhalb von Unternehmensbereichen und Branchen umgesetzt werden können – jeweils heruntergebrochen für Unterkünfte, gastronomische Anbieter, Attraktionen / Museen, Veranstaltungen, Routen, Erlebnisse, Tourist-Informationen sowie Marketingaktivitäten. Damit entstanden eine Art Checklisten, welche nicht nur für die Produktentwicklung nützlich sind, sondern auch als Argumentarium oder Briefing-Unterlage bei Gesprächen mit lokalen Akteuren oder Partnern dienen.
  • Fazit: Durch die strategische Herleitung konnten auf effiziente Weise die konkrete, handfeste Übersetzung von Produktprinzipien für touristische Akteure geschaffen werden.

 

Brandenburg: Gemeinsame regionale Produktentwicklung

  • Ausgangssituation: Im von der Pandemie geprägten Jahr 2020 unterstützte die Tourismus-Marketing Brandenburg (TMB) gemeinsam mit dem Clustermanagement Tourismus ihre Regionen mit diversen Online-Workshops. Einige Regionen nutzten diese Möglichkeit, gemeinsam mit ihren Akteuren an konkreten Produktideen für ihre Region zu arbeiten.
    Themen waren hier beispielsweise der Rundwanderweg „Rund um die Schorfheide“ im Barnimer Land, das Thema „Mobiler Genuss – Essen unterwegs“ für Potsdam und das Havelland oder in der Prignitz „Reine Geschmacksache – Radlerparadies Prignitz to go“, um nur drei von unzähligen spannenden Initiativen zu nennen.
  • Am Prozess Beteiligte: Neben Vertreter*innen der TMB waren ebenso Vertreter*innen der jeweiligen Reiseregion sowie konkrete touristische Akteure der Region dabei, sowie oftmals auch Vertreter der Wirtschaftsförderung, von IHKn oder Branchenverbänden.
  • Vorgehen:
Teilergebnis eines Online-Workshops, entstanden durch Experience Design Methodik

 

    • Das Vorgehen wurde jeweils individuell auf das jeweilige Thema, die Rahmenbedingungen sowie die teilnehmenden Akteure zugeschnitten.
    • Generell immer digital und interaktiv über die Videokonferenz-Software Zoom sowie das Online-Whiteboard Mural. Hat wunderbar funktioniert, die Teilnehmenden konnten sich nicht nur ohne Maske anlachen, auch das Lesen der Notizzettel war jederzeit für alle möglich (was häufig in physischen Räumen nicht der Fall ist).
    • Ein wichtiges, verbindendes Thema über alle Akteure hinweg: Die gewünschte Zielgruppe. Wer ist unser Wunschgast? Wie ticket er? Was benötigt dieser eigentlich, um happy zu sein? Und schließlich sein Erlebnis weiterzuerzählen und wiederzukommen.
  • Fazit: Vernetzung der Akteure miteinander, Konkretisierung und Schärfung bereits bestehender Produktideen. Indem kontinuerlich die Perspektive des Gastes eingenommen wird.

 

Brandenburg: individuelle Produktentwicklung für Einzel-Anbieter

Erfolgsgarant: Immer den Wunschgast im Blick
  • Ausgangssituation: Neben den hierüber genannten konkreten Produktideen für einzelne Regionen, nutzten einige Brandenburger Reiseregionen die von der TMB angebotenen Online-Workshops, um ihre Akteure individuell nach vorn zu bringen. Rahmen jeweils: entweder ein gemeinsames Thema oder eine gemeinsame Zielgruppe.
  • Am Prozess Beteiligte: Neben Vertreter*innen der TMB waren ebenso Vertreter*innen der jeweiligen Reiseregion sowie konkrete touristische Akteure der Region dabei.
  • Vorgehen:
    • Jeweils individuell auf das jeweilige Thema, die Rahmenbedingungen sowie die teilnehmenden Akteure zugeschnitten.
    • Und auch hier: digital über die Videokonferenz-Software Zoom sowie das Online-Whiteboard Mural.
    • Ebenso immer ein Thema: Die gewünschte Zielgruppe. Was benötigt diese eigentlich?
    • Darüberhinaus wesentlich: Was bedeutet das gemeinsame Thema bzw. die gemeinsame Zielgruppe für die jeweils eigenen Angebote und Produkte? Welche Anforderungen gibt es in Bezug auf Unterkünfte, Gastronomie, Touren oder Erlebnisse? Was heißt das ganz konkret für mich?
    • Wichtig hierbei: Die ständigen Querverweise. Was eine Unterkunft für sich bereits umsetzt, kann – leicht abgewandelt – für einen gastronomischen Anbieter ebenso sinnvoll sein und umgedreht.
  • Fazit: Vernetzung der Akteure miteinander, Konkretisierung und Schärfung individueller Produkte und Angebote. Darüber hinaus Synergienutzung unter den Akteuren mit z.B. wechselseitiger Promotion der Angebote.

 

Das Erfolgsprinzip überall: gemeinsames Gestalten

Durch alle Projekte zieht sich eines: Nur gemeinsam schaffen wir es! Ziehen alle an einem Strang, haben alle den Blick in die gleiche Zukunftsrichtung, kommt es gut. Und wir finden, dazu braucht es gar nicht so viel. Außer eben gemeinsam und motiviert an einem Tisch zu sitzen, die gemeinsame Basis zu finden und sich von dieser aus auf den Weg zu machen. Und wenn der gemeinsame Tisch derzeit nicht möglich ist, geht dies auch wunderbar mit Zoom als virtuellem Tisch.

Hast du Fragen zu den erwähnten Referenz-Cases? Oder beschäftigt dich ein ganz spezielles Projekt für deine Region oder dein Unternehmen? Kristine und Andrea kommen gerne mit dir ins Gespräch.

 

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Andrea Schneider Strategie | Co-Kreation | Coach | Nachhaltigkeit

Strategie - Co-Kreation - Agile Coach. Ich begleite dich gerne bei deinem Entwicklungsprozess und verspreche dir, dass dieser nicht nur erfolgreich wird, sondern er sich auch leicht anfühlt und Spass macht. Diese 4 kriegst du immer, wenn du mit mir zusammenarbeitest: Handfeste Resultate, ganzheitliche Einordnung, Befähigung und Sparring Partnerin.

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