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Servicedesign im Tourismus – Grundlagen zum Ansatz und dessen Methodik

customer journey, Methoden, Service Design, Servicedesign

Anlässlich einer Session am #TC12 = Tourismuscamp Nummer 5 (Jahrgang 2012) zum Thema Service Design, die Daniel Sukowski und ich ausgerufen haben, habe ich heute beschlossen etwas mehr zu diesem Thema zu schreiben und etwas Licht ins Dunkle zu bringen. Sicherlich werde ich in der nächsten Zeit hierzu noch mehr schreiben… unten gibt es auch noch einige offene Fragen zur Diskussion.

Warum ist Service Design zukünftig so wichtig?

Die Transparenz von Produkten in Social Media, die Relevanz von UGC und Bewertungen für die Validierungsphase im Vorlauf einer Reiseentscheidung von Endkonsumenten und der steigende Anspruch von Kunden führt dazu, dass das touristische Produkt und seine tatsächliche Konzeption und Qualität im Vordergrund stehen. Klassische Werbung schafft es nicht mehr, diese Einflüsse zurückzudrängen. Nur gute und besondere Produkte werden zukünftig per Word of Mouth (WoMA) in Social Networks ohne das Zutun der Leistungsträger und DMOs besprochen und weitererzählt werden.

Der Eindruck und die Aufmerksamkeit eines Produktes beim touristischen Endkunden definiert sich in den digitalen Medien heute über drei Faktoren:

  • Welche inhaltliche Aussage erzeugt die Summe der Geschichten über ein Produkt beim Endkunden?
  • Wer sind die Autoren dieser Geschichten und welches Vertrauen genießen diese Autoren beim entsprechenden Gast?
  • Über welche Kanäle gelangen diese Geschichten zum Kunden und welches Vertrauen genießen diese Kanäle beim Kunden?

Die Geschichten über ein Produkt sind hier sicher der wichtigste der drei Faktoren bzw. derjenige Faktor, den eine Destinationsorganisation / ein Tourismusverband am besten beeinflussen kann. Welchen Kanal der Gast letztendlich wählt, die Geschichte zu erzählen – das bestimmt er und große Unternehmen, die entsprechende Plattformen bereitstellen. Die wenigsten Destinationen machen sich über diesen zweiten und dritten Faktor wirklich systematisch und umsetzungsorientiert Gedanken (unser Kunde Rheinland-Pfalz setzt aktuell eine Themenstrategie um, die genau dieses Ziel hat). Um die Geschichten über das Produkt und dessen Service optimal beeinflussen zu können, bietet sich Service Design im Tourismus wirklich als Methode der systematischen Konzeption von touristischen Ageboten an.

Im Folgenden möchte ich beleuchten, was Servicedesign ist, welche Phasen es in einem Servicedesignprozess gibt, welche Erfolgsfaktoren relevant sind, welche Methoden sich hinter Service Design verstecken und gerne möchte ich auch eine Diskussion einläuten. Und vorweg: der Artikel ist ein Überblick, keine vollständige wissenschaftliche Publikation ;)!

Aller Anfang zum Service Design…

…passierte auf Juist im Rahmen des EU-Projektes an dem wir partizipieren und dessen Lead Partner das MCI Tourismus ist. Morgen werden wir dieses Projekt auch nochmals ausführlich auf dem Nordsee Tourismustag vorstellen. Alles zum Projekt Service Design im Tourismus – Fallstudie Juist findet ihr im Übersichtsartikel zur Servicedesign-Fallstudie oder im Artikel zu unserer eingebetteten Urlaubstester Kampagne auf Juist oder in meinem etwas wirren ersten Artikel zur Customer Journey im Tourismus. Nun aber zum eigentlichen Thema…

Was ist Servicedesign eigentlich?

Service Design ist ein holistischer Prozess aus verschiedenen Stufen und mit spezifischen Methoden, um Produkte und Services bestmöglich für die Konsumenten zu gestalten (zur Definition auf Wikipedia). Dabei fallen vor allem drei Phasen auf:

    • Explorationsphase: in dieser Phase geht es darum, Probleme in der Customer Journey aufzudecken und bereits ein erstes Verständnis für das Problem aufzubauen. Bisher wurden dazu häufig klassische Kundenbefragungen per Onlinefragebogen oder Erhebung vor Ort mit Interviews genutzt. Die App MyServiceFollow, die wir ihm Rahmen des EU Projektes Servicedesign in Tourism getestet haben, vermag dies viel besser abzubilden – der Gast kann direkt in dem Moment wo er auf ein Problem stößt, dieses abspeichern und beschreiben. Es gibt kaum Verzerrungen durch das Erinnerungsvermögen oder durch die Fragestellungen einer Befragung. Natürlich gibt es noch weitere (touristische) Servicedesign Methoden, die in dieser Phase anwendbar sind.

Bild: Backend der Software MyServiceFellow zum Durchführen der Explorationsphase von Servicedesign im Tourismus

  • Prototyping bzw. Creation Phase: in dieser Phase werden die Inputs aus dem ersten Schritt genutzt, um beispielsweise in einer Gruppe aus passenden Personen einen oder mehrere kritische Touchpoints in der Customer Journey zu analysieren und den Service zu verbessern (Planung). Wichtig bei der Bildung der Gruppe bzw. dem Einsatz der Cocreation Methode ist, möglichst verschiedene Personen mit an Bord zu haben: Fachleute für materielle Strukturen eines touristischen Produktes, Erlebnispädagogen, verschiedene Kundentypen, Leistungsanbieter vor Ort etc. Anhand verschiedener Techniken wird nun der Service, der verbessert werden soll, in einzelne Sequenzen zerlegt (z.B. Durch Customer Journey Diagramm, Szenariotechnik, Ecosystem-Map eines Unternehmens, …) und jeweils durch fortschreitende Anpassungen in vielen Interationen stückweise und unter Zusammenarbeit der gesamten oben genannten Gruppe perfektioniert. Es können also auch durchaus mehrere Methoden in einer der 3 Hauptphasen angewendet werden.
  • Service Design Phase: der letzte Schritt hin zu einem verbesserten Produkt oder Serviceangebot, ist das tatsächliche Umsetzen der in der Planungsphase geschaffenen Ansätze und Vorgehensweisen. Dazu kann es verschiedene Methoden geben, je nachdem in welchem Umfeld und mit welchem Standardisierungsgrad hier zu rechnen ist. Entweder werden Handbücher verfasst und vor Ort entsprechende einführende Workshops veranstaltet, Bereiche der Unternehmenskultur verändert oder, im Idealfall, die betroffenen Mitarbeiter bereits in der Planungsphase eingebunden oder …

Mit welchen Methoden arbeitet Servicedesign?

Im Servicedesign gibt es ein ganzes Bündel an Methoden, die sich zudem in einem stetigen Erweiterungs- und Entwicklungsprozess finden. Einen guten Überblick findet man unter anderem im Buch „This is Servicedesign Thinking“ von Marc Stickdorn.

Erfolgsfaktoren von Servicedesign im Tourismus

Es lassen sich verschiedene Erfolgsfaktoren zusammenfassend auflisten:

  • Herstellung einer geeigneten Gruppendynamik während des Cocreation-Prozesses. Servicedesign muss Spass machen, darf keine reine Kopfarbeit bleiben, sondern sollte nicht nur mit der emotionalen und der rationalen Gehirnhälfte arbeiten, sondern sogar motorische Elemente enthalten – nur so können Menschen zur Bestform auflaufen, wenn sie ganzheitlich gefordert werden.
  • Zusammensetzung einer geeigneten Gruppe während der Cocreation – nur eine heterogene Gruppe mit Teilnehmer aus verschiedenen Wissensnetzwerken theoretischer und praktischer Natur kann optimale Ergebnisse erzielen.
  • Methodische Sicherheit: Cocreation ist ein orchestrierter Prozess, der nach einem dramaturgischen Schema, nach einem sequentiellen Ablauf verschiedener Gruppenarbeitsmethoden erfolgt.
  • Ein serviceorientiertes Verständnis und Interesse von Seiten der Urheber bzw. Auftraggeber eines Servicedesignprozesses: ein Produkt wird im Rahmen des Servicedesign nicht nur als Produkt gesehen, sondern aus einer Kette von menschlichen oder physischen Interaktionsprozessen von Gästen mit Personal und physischer Infrastruktur. Gleichzeitig wird das Produkt fast IMMER als Dienstleistung verstanden, auch wenn es sich nur um eine Tasse Kaffee handelt. Diese Sichtweise ermöglicht es, selbst bei einfachen Produkten dem Kunden ein optimales Erlebnis zu designen. Solange dies und die Notwendigkeit einer entsprechenden späteren Umsetzung durch den Auftraggeber oder die Leistungsträger vor Ort nicht verstanden wird, scheitert der Urgedanke von Servicedesign.
  • Kundensicht als inhärente Denkweise im Servicedesign – der Kunde steht im Mittelpunkt der Überlegungen.
  • Speziell im Destinationstourismus erscheint eine Einbettung dieser Denkweise in das Projekt ServiceQ Deutschland absolut notwendig, kann sie und ihre Methoden doch einen tollen Beitrag und Mehrwert im Rahmen dieses sowieso vorbildlichen Projektes leisten!

Weitere Artikel zu diesem Thema, zu einzelnen Servicedesignmethoden, zu Projekten, bei denen wir mit Cocreation arbeiten, etc. werden hier auf dem Blog folgen. Nächste Woche besteht zudem die Möglichkeit Daniels Vortrag zum Thema Service Design auf dem Nordsee Tourismus Tag zu lauschen!

Welche Erfahrungen habt ihr mit Servicedesign? Welche inhaltlichen Aspekte fehlen eurer Meinung nach hier im Artikel?

Mich treiben noch einige Kernfragen um:

1. Welcher Nutzen in Bezug auf die regionale Wertschöpfung lässt sich aus Servicedesign Projekten ziehen bzw. wie kann der Nutzen von Servicedesign Projekten in der Rechnung einer Destination messbar gemacht werden? Oder anders gefragt: auf welcher Grundlage ist es möglich, aufwendige Servicedesign Projekte in Destinationen politisch zu verargumentieren, wenn es bereits eine Initiative ServiceQ Deutschland gibt? (siehe auch letzter Punkt bei Erfolgsfaktoren)

2. Wir versuchen es zwar im Rahmen des EU Projektes als Nebenfrage zu erforschen, aber Projektvolumen und Projektdauer lassen es nicht wirklich zu: inwieweit verändert sich die Reputation von Destinationen im Social Web durch solche Projekte und wie kann dies messbar gemacht werden? (mal einen entsprechend definierten Reputationsbegriff vorausgesetzt, der festschreibt, welche Reputationsdimensionen gemessen werden sollen…)

3. Wir suchen einen Studenten der bei uns Masterarbeit zu diesem Thema schreiben will… mehr Informationen findest du hier im Artikel zu aktuellen Themen für deine Masterarbeit oder Diplomarbeit.

Viele Grüße,
Daniel Amersdorffer

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Daniel Amersdorffer

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