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Warum Kampagnen im Social Web langfristig völlig sinnlos sind – Social Media im Tourismus heißt Prozesse verändern – ein provokantes Plädoyer…

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Kampagnen sind aktuell ein viel genutztes Mittel risikoaverser Tourismusmanager, um dem Thema Social Media dennoch gerecht zu werden. Langfristig werden diese Kampagnen jedoch nicht mehr funktionieren. Ziel einer Social Media Strategie kann nur sein, ein Unternehmen über seine Mitarbeiter tief in sozialen Kontexten und Netzwerken zu verankern. Die aktuelle Generation der Manager im Tourismus begreift das Internet aber noch immer als das was es vor einigen Jahren war und verpasst die ständige Weiterentwicklung des Mediums – so könnte man provokativ den Artikel einleiten…

Irgendwann damals, als ich selbst noch eher am Spielplatz oder auf dem Fussballfeld hinter dem Haus anzutreffen war, startete das Internet. Damals war es geprägt von teuren Zugängen, einer limitierten Nutzerschaft und kompliziert zu nutzender Hard- und Software.Über die Jahre zum Jahrtausendwechsel und anhaltend bis heute entwickelte sich das Internet von seinen Anfängen eigentlich erst so richtig. Das Ganze ist fast vergleichbar mit dem Telefon – ehemals ein dicker Kasten für amtliche Stellen und die Post, heute ein kleiner Computer mit etlichen Zusatzfunktionen.

Das Internet eben so zu definieren, wie es damals zu Beginn gestartet ist, wäre genauso fatal wie wenn man dasselbe mit der Telefonie von damals tun würde. Das Internet entwickelt sich ständig weiter und Begriffe wie Web2.0, Web3.0 o.ä. sind eigentlich Humbug. Zu Beginn war das Internet eine Sammlung statischer HTML Seiten, nur wenige Spezialisten nutzten es bereits damals schon zur Kommunikation über verschiedene Protokolle. In der Bevölkerung kam es dann aber zur steigenden Verbreitung von Computern und Onlinezugängen – das Internet wurde ein privat genutztes Medium. Bessere Kommunikationsnetze, neue Technologien und die massenhafte Verbreitung des Internets in Industrieländern, später auch in weniger entwickelten Staaten, führten zu Anschlüssen mit mehr Bandbreiten, günstigeren Preisen und ergo deutlich erhöhter Nutzung. Auf Basis dieser Neuerungen und der wachsenden Verbreitung explodierte die Zahl klassischer Webseiten, Emailkommunikation wurde immer populärer. Im Marketingbereich etablierte sich zudem das Gegenstück zur Offline-Plakatwerbung – der Banner. Und natürlich nicht zu vergessen auch die Suchmaschinen, die mit der steigenden Zahl der Onlineinhalte unabdingbar waren und ebenfalls Werbeformen einführten (Monetarisierungszwang…). Die Antwort der Internetanbieter auf die Suchmaschinen ist eine neue Branche – SEO.

Und genau an diesem Punkt sind viele Internetverantwortliche stehen geblieben. Das ist wirklich seltsam, schließlich sind die altmodischen Wählscheibentelefone ja auch durch Telefonanlagen und Systemtelefone ersetzt worden. Warum verweigert man sich solange einem neuen Thema? War das im Telefoniebereich genauso? Vielleicht nein, weil die Entwicklungen subjektiv weniger Risiken ausstrahlten? Naja, Schwamm drüber. Das Internet hat sich jedenfalls nochmal deutlich weiter entwickelt und tut es immer noch. Vermutlich stehen wir erst am Anfang dieser Entwicklung, so ähnlich wie damals, als ISDN Telefone der letzte Schrei waren…

Aktuell und die letzten Jahre hat sich der als Web2.0 bezeichnete Bereich in den Vordergrund der Entwicklungen gedrängt während zuvor eher technische Entwicklungen den fachlichen Diskurs bestimmten. Web2.0 bedeutet kurz gefasst eine neue Generation vonTechnologien im Frontend und Backend-Bereich des Internets, die alle zum Ziel haben, dem Nutzer Kommunikation, Mitwirkung und Vernetzung mit anderen Nutzern zu ermöglichen. Über die letzten 5-10 Jahre sind die Anwendungen bzw. die Zahl der dahinterstehenden Unternehmen, die diese Funktionen online abbilden rasant gestiegen. Um in den Worten von Gartner’s Hypecycle zu sprechen – noch befinden wir uns sogar im Aufstieg zum inflated peak of expectations oder haben ihn knapp überschritten.

Touristische Unternehmungen haben den Trend zur Kommunikation, Mitwirkung und Vernetzung vielerorts aufgefasst und antworten mit ihrer Marketingstrategie entsprechend – auch oft tituliert als „Social Media Strategie“. Antworten sind bespielsweise die Einrichtung einer Facebook Unternehmensseite, Content-Strategien zur Bedienung relevanter Plattformen des Web2.0 mit Inhalten,thematisches Monitoring und Moderieren von relevanten Gesprächen in Foren, Blogs etc. – Ansätze gibt es hier viele und aktuell machen viele davon auch wirklich Sinn. Weitere Ansätze sind auch virale Kampagnen, Bloggermailings, Seeding, Communities …

Ich behaupte jetzt einfach mal (jung und verrückt 😉 ), dass alle diese Ansätze der Entwicklung „Social Media“ gerecht zu werden langfristig keinen Sinn ergeben. Was passiert, wenn plötzlich alle Unternehmen mit Viralkampagnen, Bloggeransprachen, usw. um die Gunst der User buhlen? Was passiert, wenn es immer schwieriger wird, Aufmerksamkeit zu erregen? Letztendlich steckt ja hinter allen oben genannten Ansätzen immer noch ein sehr klassisches Marketingverständnis – Aufmerksamkeit erregen, geradezu erhaschen wollen, Multiplikatoren durch Anreize zum Berichten überzeugen, Platzieren angebotsrelevanter Informationen in Social Media Gesprächen. Auch wenn es sich unter dem ach so schönen Deckmantel der Kommunikation versteckt. Nur weil eine Destinationen plötzlich einen Mitarbeiter nach draussen schickt, der persönlich kommuniziert – naja, das ist eigentlich noch immer dasselbe Prinzip wie zuvor im normalen Marketing.

Langfristig wird nur eine Methodologie überleben. Um diese zu kennen, müssen wir uns nach dem tieferen Sinn der Web2.0 Entwicklungen fragen… Um was geht es denn eigentlich immer im Social Web? Warum funktioniert es ursprünglich so toll? Was motiviert Menschen, stundenlang auf Social Media zu surfen und zu kommunizieren, ihr Privatleben zu offenbaren und weniger Fernsehen zu schauen? Letztendlich geht es im Social Web um zutiefst menschliche Prozesse. Erzählen, sich selbst ausdrücken, gehört werden, Meinungen anderer, Macht, Neuigkeiten, Neugierde, soziale Gruppenbildung und viele weitere solcher soziologischer Grundmotivationen.

Genau deshalb stoßen viele der oben genannten Ansätze Social Media für das Marketing zu instrumentalisieren auch so schnell an ihre Grenzen. Und in Zukunft noch schneller. Weil diese Ansätze genau diesen tieferen Sinn nicht verstanden haben. Besonders neue Kunden und treue Kunden können Unternehmen in den nächsten Jahren nur noch schwer über die eigene Webseite, nur noch schwer über virale Kampagnen, Bloggermailings und ähnliche Methoden gewinnen. Viel mehr geht es zukünftig um persönliche Netzwerke. Um Dialoge und Vertrauen innerhalb dieser Netzwerke.

Unternehmen die dies verstanden haben, müssen sich einem tiefgreifenden Wandel aussetzen. Bisher im Backoffice beschäftigte Personen müssen draussen sprechen. Müssen Netzwerke aufbauen. Dazu sind einerseits entsprechende Qualifikationen notwendig – sowohl operativ müssen Mitarbeiter geschult werden, als auch die strategische Dimension verstanden haben – andererseits braucht es entsprechende Strukturen im Unternehmen: Eine Social Media Guideline regelt die Rechte an den geschaffenen 2.0-Netzwerken, Auftritten und Contents der einzelnen Mitarbeiter, regelt das komplizierte privat vs. beruflich im Social Web, regelt die Kommunikation, gibt Hilfestellungen und – wichtig – spiegelt die Begeisterung und Deckung von Top-Management Seite wieder. Mitarbeiter brauchen plötzlich mehr Zeit für Netzwerkaufbau und Kommunikation, mehr Macht, mehr Kompetenzen, technische Barrieren müssen deaktiviert werden usw. – dies sind Prozesse, die besonders in größeren Unternehmungen Jahre benötigen bis zur vollständigen Umsetzung und Integration in betriebliche Strukturen. Und auch die Kosten für Beratung und interne Manpower sind nicht zu vernachlässigen. Die Gelder, die aktuell für Iphone-Apps, kreative Kampagnen und co. ausgegeben werden sind natürlich nicht verschenkt, aber wichtig und im Auge zu behalten ist der Wandel der Unternehmung hin zum sozialen und sprechenden Unternehmen. Investitionen in diesen Wandel sind deutlich nachhaltiger.

Unternehmen, die mit ihren Kunden persönlich netzwerken, werden langfristig besser dastehen. Warum? Noch einmal in aller Deutlichkeit: Schon jetzt werden klassische Suchmaschinen und Webseiten weniger benutzt. Das Internet könnte man aber aktuell als gerade zu „dumm“ bezeichnen. In Zukunft wird alles darauf hinauslaufen, dass irgendeine Instanz, sei es der Browser, sei es das Endgerät per se, sich völlig auf seinen Nutzer individualisiert und die ausgelieferten Informationen diesem anpasst. Diese Anpassung wird nach wie vor relevanzbasiert sein.

Wie aber definiert sich zukünftig Relevanz? Suchmaschinenoptimierung und Adspending, virale Kampagnen und Seeding – naja. Wird wohl keine Rolle mehr spielen in 20XX? Relevanz wird sich bestimmen aus …

  • inhaltlich wirklich passenden Inhalten (Semantic Web) direkt von den Anbietern der entsprechenden Leistung (die vorher zu klein waren, sich in die Aufmerksamkeit des Users einzukaufen / zu optimieren).
  • sozial gefilterten Inhalten – die sozialen Netzwerken der Internetuser werden vielschichtiger werden und sich in echte Freunde, Netzbekanntschaften, Jobkontakte, Freizeitkontakte, etc. aufgliedern (Facebook Freundeslisten sind nur ein Beispiel dafür).
  • dem Aufenthaltsort – neue Endgeräte wissen durch GPS fast immer wo sie sind und Informationen werden zunehmend georefenziert sein im Netz – also werden nur noch lokal passende Infos ausgeliefert (Beispiel: Google Places auf dem Mobiltelefon).
  • …?

Passende Inhalte und eine Beschreibung der eigenen Leistungen ist also nach wie vor wichtig – nur kann dies jeder online stellen. Wer aber sagt mir dass es stimmt? Personen denen ich vertraue. Marken haben ihr Vertrauen mehr und mehr verspielt bzw. gute Marken kombinieren Marke und Netzwerken…? Oder provokant: Gibt es im Tourismus überhaupt gute Marken?

Und genau dieser Prozess führt uns wieder zu dem Mantra: Unternehmen müssen durch ihre Mitarbeiter sprechen, ihre Werte vorleben und durch ihre Mitarbeiter vernetzt sein mit Interessenten, Partnern und Kunden.

Soweit ein paar Gedanken…

Liebe Grüße,

Daniel

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Daniel Amersdorffer

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